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See you @ the beach!

Was ist eigentlich mein Sinn im Leben?

08.04.2019 - Florida, United States

Phil Dalhausser spielt professionell Beachvolleyball, seit er – seinen eigenen Worten zufolge – ein „20-jähriger Dummkopf, der etwas mehr Geld brauchte, um essen zu können“ war.  

Damals, zur Jahrtausendwende, hatte ein junger Dalhausser keine Ahnung, wohin ihn sein Talent führen würde.

Wie wir heute wissen ging diese Reise weit. Sehr weit. Seine Fähigkeiten auf dem Sand, seine Fingerfertigkeit und seine Sprungkraft beim Block, sollten ihn zum ultimativen Sportpreis führen: einer olympischen Goldmedaille, die er 2008 in Peking gewann.

Heute ist Phil, 39-jährig, Vater von zwei Kindern, Sebastien (fünf) und Sofia (vier) sowie liebevoller Ehemann von Jennifer, die er 2011 heiratete.

Doch die Dinge haben sich seit diesen unbeschwerten Anfangstagen geändert. Das Leben ist passiert, wie man so schön sagt. Verantwortung musste übernommen werden. 

Als Konstante bleibt der Volleyball in seinem Leben und dieses Jahr startet Dalhausser seine 17. Saison auf dem Sand.

Es wird wieder eine dieser Saisonen sein, in der er tagtäglich zwischen den verschiedenen Bereichen des Lebens jonglieren wird müssen. In der er Gehaltsschecks und Medaillen jagen wird müssen, um diejenigen zu unterstützen, die er am meisten liebt.

 

Den Nagel an die Wand hängen

In der letzten Saison führte Dalhaussers persönlicher Kampf ihn, den sie auf der FIVB World Tour "The Thin" Beast nennen, fast dazu den Mikasa-Ball für immer niederzulegen. Ein Rücktritt vom aktiven Sport stand im Raum.

Man mag vielleicht denken, dass das Leben eines Beachvolleyballspielers glamourös und sexy ist. Um die Welt zu reisen, um an exotischen Orten Beachvolleyball zu  spielen, klingt auch nach einem Job, von dem die meisten anderen träumen würden.

Für Phil und seine Kollegen ist dies jedoch nicht immer der Fall. Die 2018'er Saison war dann der Tropfen der das Fass für den Mann, der seit 2003 an über 250 nationalen und internationalen Turnieren teilgenommen hatte, zum Überlaufen brachte. 

Genug war genug. Die Familie musste zuerst kommen. Jennifer, Sebastian und Sofia hatten es besser verdient. Scheiß auf Volleyball, dachte er. Unzählige Tage, Monate ja sogar Jahre, einfach nie da gewesen zu sein, hatten ihren Tribut gefordert.

"Ich hatte eine schreckliche Einstellung gegenüber meinen Sport entwickelt und das lag an meiner Familiensituation", sagt Phil unmissverständlich. „Ich habe mich nur noch auf die negativen Aspekte meiner Abwesenheit konzentriert. Wenn ich nicht Lust hatte, zu spielen oder zu trainieren, dachte ich einfach nur: „Mann, ich wünschte, ich müsste das hier nicht machen“.

„Ich wollte aufhören und habe viel darüber nachgedacht. Ich versuchte herauszufinden, was ich eigentlich wirklich tun wollte. Niemand sonst konnte mir hier helfen, ich musste das für mich lösen.“

Vor nur drei Wochen kehrten Dalhausser und Teamkollege Nick Lucena - ebenfalls 39 Jahre alt und wie Phil Vater von zwei Kindern - von der World Tour-Veranstaltung in Doha, Katar, mit einer Silbermedaille zurück. Es waren die ersten Schritte des Paares auf einer Qualifikationsleiter, von der sie hoffen, dass sie sie nächstes Jahr zu den Olympischen Spielen nach Tokio führen wird.

Was hat sich also geändert? Wie hat Dalhausser den Kampf in seinem Kopf gewonnen, um sich wieder für den Sport zu motivieren und den Traum von einer vierten Teilnahme an den Olympischen Spielen wiederzuerwecken?

„Nachdem die letzte Saison zu Ende war, habe ich mich etwas weiterentwickelt. Man könnte es "Seelensuche" nennen. Ich habe viele Bücher darüber gelesen, wie man den Sinn im Leben findet.

„Meine Negativität gegenüber Volleyball kam hauptsächlich davon, dass ich meine Familie damit unter Druck gesetzt hatte. Letztes Jahr war ich insgesamt vier bis fünf Monate von zu Hause weg. Das belastete mich und meine Frau, unsere Beziehung und die Kinder. Es belastete mich.

„Nicht da zu sein, Geburtstage zu verpassen. Meine beiden Kinder haben im Sommer Geburtstag, die verpasse ich manchmal, das ist Teil des Jobs. Beachvolleyball ist einfach ein Sommersport. Es war der Punkt, dass ich immer weg war, der mich berührt hat.

„Eines Tages habe ich in der Küche mit mir selbst gesprochen. Ich habe mich laut gefragt: Was ist mein Sinn im Leben? – Ich denke, es ist Volleyball zu spielen, oder?"

"Jen hat mich belauscht und kam herein. Sie sagte:" Du bist ein verrückter Idiot, wenn du nicht denkst, dass es Volleyball ist."

"Ich lachte erst einmal und dachte gut, das ist nett, das ist die Unterstützung, die ich brauche". Ihre Worte veränderten meine Denkweise. Mein Leben war und ist Beachvolleyball. Es ist alles, was ich je gemacht habe."


Die Familie ist das Wichtigste 

Die nächsten sechs Monate werden für den Beachvolleyball-Athleten entscheidend sein. Es stehen nicht nur die FIVB Beach Volleyball World Championships presented by comdirect und ALDI Nord in Hamburg, Deutschland, am Programm, sondern auch eine Reihe hochkarätiger Turniere in ganz Europa und Asien. Wenn eine Partnerschaft in diesem einzigartigen Team-Sport für zwei Spieler die Hoffnung birgt, im nächsten Jahr ein Ticket nach Tokio zu lösen, ist die Teilnahme daran alles andere als obligatorisch. Spielt man nicht bedeutetet das gleichzeitig, dass keine Qualifikationspunkte verdient werden - beziehungsweise auch kein direktes Einkommen.

Für Dalhausser hieße das also wieder eine längere Abwesenheit von seiner Familie. Etwas das eigentlich in den letzten Monaten außer Frage stand. The Thin Beast musste also eine Lösung finden, die allen Anforderungen gerecht wird. Eine, die so hoffen wir, dafür sorgen wird, dass er sich auf die kommenden großen Turniere konzentrieren kann und ihm dabei die Gewissheit gibt nicht auf das zu verzichten, was er in seinem Leben schätzt.

Die Lösung war dann ganz einfach, die ganze Familie miteinpacken und die Reise genießen. Im Juni werden die Dalhaussers nach Europa reisen und an der Weltmeisterschaft in Hamburg sowie an zwei großen Turnieren teilnehmen, dem Swatch Gstaad Major in der Schweiz und einer Veranstaltung im portugiesischen Espinho.

Das Gstaader-Event liegt Dalhausser besonders am Herzen, da er ja im nur zweieinhalb Autostunden entfernten Baden geboren ist. Der Sohn einer Schweizer Mutter, Marianne, und eines deutschen Vaters, Peter, erinnert sich noch gut an das malerische Dorf auf 1.000 Meter Seehöhe in den Alpen. Mit dem damaligen Teamkollegen Todd Rogers gewann Dalhausser dort dann auch die Weltmeisterschaft 2007, während seine Familie und Freunde von den Tribünen aus zuschauten.

"Es wird gut sein, die Kinder und Jen diesen Sommer in meiner Nähe zu haben", sagt er lächelnd. „Das wird die Dinge verbessern. Das letzte Mal, als die Familie mitkam, war das kurz vor dem ersten Geburtstag meines Sohnes. Jen war gerade super schwanger mit meiner Tochter und sie besuchten mich in Berlin und in Norwegen. In Norwegen haben wir damals Gold gewonnen, aber in Berlin den 17. Platz geholt. Von den Ergebnissen war es also etwas gemischt, aber es hat definitiv geholfen und war gut sie mit im Schlepptau zu haben.

„In Hamburg wird das sicher helfen, denn eine Weltmeisterschaft geht nur langsam voran. Es gibt nicht diese Intensität von zwei oder drei Spielen pro Tag wie bei einem regulären Turnier. Da haben wir die Möglichkeit genug Zeit miteinander zu verbringen. „Gstaad wird auch etwas ganz Besonderes sein. Ich habe ja Verwandte in der Schweiz und alle meine Tanten und Onkel dort haben die Kinder noch nie getroffen. Das wird cool sein." 

Die Tatsache, dass Dalhausser bereit ist seine Familie für de facto einen Monat zu entwurzeln, lässt darauf schließen, dass seine Liebe und Loyalität für den Sport tief verwurzelt ist. 

Er hat keinen Hass auf Volleyball, aber doch vielleicht ein nagendes Gefühl in seinem Hinterkopf, das ihn immer wieder daran erinnert, dass der Sport ihn gelegentlich um wichtige und schöne Momente mit seiner jungen Familie beraubt hat.

„Ich bin nicht sauer auf mich oder den Volleyballsport, nur darauf, dass er mich meiner Familie weggenommen hat. Ich mache niemand einen Vorwurf auch meine Familie macht mir keinen, aber es ist einfach so, dass ich bin für ein paar Tage hier bin und dann bin ich wieder weg, es gibt keine Konsistenz.

„Für junge Kinder ist das hart. Für sie ist es nicht einfach in einem instabilen familiären Umfeld zu leben. Ich gehe einmal davon aus, dass Kinder dann am Besten gedeihen, wenn ihre Umgebung zu Hause stabiler ist.

„Sie sind vier und fünf. Der Fünfjährige weiß, warum ich das tue, ich gehe Volleyball spielen, um Geld zu verdienen.

„Sie schauen sich gern die Spiele im TV an und lieben es mich dort zu sehen. Aber bei der Jüngeren bricht die Hölle los, wenn ich zu einem Turnier fortfahre. Sie brüllt das ganze Haus nieder und das macht die Sache schwer. Wenn ich nach Hause komme sind die Kinder immer so aufgeregt."

„Ich konzentriere mich jetzt einmal auf das Positive. Darum geht es in dieser Saison."